Pressebericht & Bildergalerie: Scheitern oder nie

Virtuose Ernsthaftigkeit

Gerhard Schaubach und Michael Ihringer gastierten mit „Scheitern oder nie“

GEDERN. Am Anfang war das Ganze privat, in der Mitte bitterböse und politisch, gegen Ende philosophisch bis weise: Kabarettist Michael lhringer aus Darmstadt und Pianist Gerhard Schaubach aus Altenstadt gastierten mit ihrem neuen Programm „Scheitern oder nie” auf Einladung des Kulturkreises Gedern in der vollbesetzten Kulturremise – und hatte mit dem Intro „Like mich jetzt, auch wenn ich nerve“ nach Wigald Boning und Oliver Dittrich sofort die Lacher auf ihrer Seite. Nachdem Schaubach kurzzeitig den Raum verließ, um besseren Empfang für sein Smartphone zu bekommen, und sich sein Partner lhringer darüber mokiert hatte, dass bei seinem Bäcker stets nur die „Mehlbox“ zu erreichen sei, krönte man die Satire auf die rasend schnelle, internetabhängige Medienkultur unserer Tage mit dem absoluten Gegenteil: dem Öden Miteinander eines alten Ehepaares „in trauter Lethargie“. Zu sanften Ukulele-Klängen mimte das Duo Mann und Frau vor dem Fernseher, versunken in ihren jeweiligen Fantasiewelten – und in grenzenlose Langeweile. Kleine, wundervolle Songs über die Suche nach dem Glück und dessen Zerbrechlichkeit, Gospels und ein zauberhaftes Medley auf die Haupt- und Traumstädte der Welt führten allmählich vom Fernsehsessel weg ins Weiter und damit zum Thema „Flüchtlinge“, das die beiden Darsteller sich gnadenlos um die Köpfe schlugen, ebenso wie die Mauersteine, die einerseits die Barrieren in Hirn und Herz, andererseits das in Trümmern liegende Aleppo oder Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisierten. Ganz still wurde es im Saal, als lhringer und Schaubach bis zur Unerträglichkeit die ewig-gestrigen Vorurteile unserer Zeit wiederholten, um die Giftpfeile dann gegen deren Absender selbst zu kehren: „Warum ist in unserer angeblich so christlich geprägten Gesellschaft der Begriff ‚Gutmensch‘ zum Schimpfwort verkommen?“ „Was wollen wir unseren Enkeln antworten, wenn sie uns einst fragen: Opa, wo warst du, als diese braune Suppe wieder hochkochte?“ Es blieb als Fazit, genau hinzusehen und nicht so schnell und pauschal zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Recht und Unrecht zu trennen. Die allzu schlichten Lösungen sind zum Scheitern verurteilt, so Schaubach und lhringer, dies bewiesen schon die endlosen historischen Auseinandersetzungen und Religionskriege unter dem Motto „Wer von uns hat der cooleren Gott?“

Nach so viel virtuoser Ernsthaftigkeit verlagerte sich der Schlagabtausch zwischen Pianist und Schauspieler wieder auf die private Ebene. Das Motto „Du bist das Letzte, was mir je passiert ist“ warf die unwillkürliche Frage auf, wie denn der Weltfrieden hergestellt werden solle, wenn man sich schon zu zweit derart in den Haare liegen könne – und gipfelt schließlich in einer Begegnung mit dem Tod, mit Gott und mit dem Universum in Gestalt eines Eis.

Ob womöglich doch ein höherer Sinn hinter dem Ganzen steckt, auch hinter jedem individuellen und politischen Scheitern? Mit dieser Maßgabe und dem Song „Always Iook on the bright side of Iife“ entließen die beiden Multitalente ihr begeistertes Publikum.

Quelle: Gederner Anzeiger, 12. Februar 2017