Poetry Slam

Datum: 08.04.2017 (Samstag)
Uhrzeit: 20:00 Uhr

Veranstaltungsort
KulturRemise Gedern, Schlossberg 9, 63688 Gedern

Unter Poetry Slam versteht man einen Dichterwettstreit bei dem selbstgeschriebene Texte innerhalb einer bestimmten Zeit dem Publikum vorgetragen werden. Die Zuhörer sind am Ende die Jury. Ausschlaggebend ist dabei natürlich auch WIE der Text präsentiert wird. Diese Veranstaltungsform entstand übrigens 1986 in Chicago und verbreitete sich in den 1990er Jahren weltweit. Die deutschsprachige Slam-Szene gilt nach der englischsprachigen als die zweitgrößte der Welt. Seien Sie dabei, wenn neun Slamer aus der Region ihr Bestes geben und küren Sie den Sieger!

Pressebericht

Torben Winter gewinnt Premiere in der Kulturremise Gedern

GEDERN - (mü). Es war ein Experiment, auf das sich der Kulturkreis Gedern und dessen Vorsitzende Gabi Bieger eingelassen hatten: Ein Poetry-Slam, ein Dichterwettstreit unter sprachgewandten Amateuren, hatte in der Vulkanstadt zuvor noch nicht stattgefunden. "Wir sind gespannt und geben die Bühne frei für den Autoren Andreas Arnold, der diese ungewöhnliche Form der Literaturlesung nach Oberhessen geholt hat, und seinen Co-Moderator Dominik Rinkart", sagte Bieger, als sie die Gäste in der voll besetzten Kulturremise begrüßte.

Obwohl dieser Abend auch für viele Zuschauer eine Premiere war, hatte man sich von der Aussicht auf gute, selbst geschriebene Texte anziehen lassen - und von der Tatsache, dass beim Poetry-Slam kein professionelles Kritikerforum, sondern das Publikum die Beiträge bewertet. "Diese Art der Dichterkonkurrenz ist demnach durch und durch demokratisch", verkündeten die launig agierenden Moderatoren Arnold und Rinkart. Dann erkoren sie einige Tische im Saal zu Jury-Gremien, verteilten Wertungstafeln und ließen, quasi als Musterbeispiel und außer Konkurrenz, den Friedberger Poetry-Slammer und Verleger Thorsten Zeller mit "Konzentrier dich!" einsteigen. Der Bahn-Vielfahrer überbrückte eine Reise ohne Smartphone-Ablenkung durch witzig-philosophische Dialoge mit Prospekthaltern, Sicherungskästen und zischenden Zugtüren. Fazit: Die Konzentration auf den Augenblick kann ein "Konsequentchen Glück" mit sich bringen.

Als erste reguläre Slammerin des Abends eröffnete Anna Shakoor aus Breitscheid die Performance-Runden mit einem flammenden Plädoyer für ein reiches, authentisches Leben in der direkten, nicht medien-vermittelten Begegnung mit Menschen. "Lasst die Eisdecken wegschmelzen, verlasst eure Schneekugeln, teilt Liebe, Leben und das Lachen", forderte die mit einem gehörigen Quantum an Selbstironie ausgestattete 24-Jährige, die zudem in der Finalrunde mit "N'Scheiß muss ich!" sämtlichen Rollenerwartungen an adrett gestylte Frauen eine saftige Ohrfeige verpasste.

Eher behutsam und in sich gekehrt rezitierte dagegen Dana Pribbernow aus Ducherow in Mecklenburg-Vorpommern ihren Text "Leben 2.0" - ihre Auseinandersetzung mit der Mutter ihres Pflegesohnes, die plötzlich eigene Ansprüche anmeldet.

Auf hohem darstellerischem Niveau exerzierte Fabian "Richie" Richardt die Plagen durch, welche "Die vier Reiter der Apokalypse" über die Welt bringen - nämlich Hunger, Krieg, die Pest faschistischen Denkens und der Tod der Weisheit, der Klugheit und der mitmenschlichen Beziehungen. Wie Anna Sakoor in die Finalrunde gelangt, präsentierte "Richie" hier mit "Ballantines Tag" eine alkoholgetränkte Miniatur auf den Flirt zwischen einem Abgestürzten und seiner neuen Liebe namens Mariacron im Angesicht der Tequila Sunrise. Zum Abschluss der ersten Runde nahm Rettungsassistentin Malin Peters aus Mittel-Gründau das Publikum mit auf einen knallbunten, animalisch bis albtraumartig angehauchten Trip durch einen Praktikumstag im Operationssaal, ausgelöst durch ein Zuviel an Desinfektionsmitteln.

Runde zwei wurde durch Lafayette Dorschner aus Baunatal eröffnet, der mit viel körperlicher Präsenz und stimmlicher Variationsbreite zunächst den Prosatext "Ohrenfänger" über die Notwendigkeit der Fantasie, die Kunst des Geschichtenerzählens und deren Weitergabe an kommende Generationen darbot. Sein engagierter Beitrag zur Finalrunde richtete sich an die "Fee der tausend Nächte" - eine junge Prostituierte und ihre durch Zuhälter und Freier vernichteten Träume.

Als Autorin eigener Bücher und Mitglied von Schreibwerkstätten befindet sich Katharina Rambeaud im Übergang zur Professionalität. Die 35-jährige Familienmutter räumte mit der Vorstellung eines perfekten modernen "Utopia" auf, brandmarkte dessen Dekadenz, forderte die Rückkehr zur Sinnlichkeit, zum Wagnis und zur direkten Begegnung.

Janek Bieger nahm die "Frauen in Führungspositionen" kritisch unter die Lupe, während der "Exil-Gederner" Torben Winter, der künftige Sieger des Abends, mit einer genialen Hommage an die neue, hippe und technik-affine Liebe im Alter überzeugte und sich in der Finalrunde mit der Unmöglichkeit befasste, als Medizintechnik-Student beim weiblichen Geschlecht zu landen. Sentenzen wie "Lass mich dein EKG ableiten und dein Lungen-Zeit-Volumen erhöhen" erwiesen sich in Sachen Liebe als eher ungeeignet. Das Publikum aber honorierte die Avancen des in Jena studierenden Jung-Poeten mit dem "Burger-King-Krönchen der Poesie" (O-Ton Moderatoren) und zeichnete Torben Winter - nunmehr per Applaus-Barometer - als Sieger des Abends aus, gefolgt von Lafayette Dorschner und Anna Sakoor auf einem gemeinsamen zweiten und Fabian "Richie" Richardt auf dem dritten Platz.

Quelle: Kreis-Anzeiger, 10. April 2017

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